Ronja

Regenbogenstipendiatin | Irland 2022/23 | Schulprogramm

Hallo, ich bin Ronja. Ich bin 16 Jahre alt und am 23. August begann meine Reise nach Irland. Vor etwa eineinhalb Jahren habe ich mich dazu entschieden, ein Auslandsjahr zu machen. Ich wollte gerne eine andere Kultur kennenlernen, besser Englisch sprechen und einfach mal für ein Jahr ganz woanders sein. Ich habe mich für Irland entschieden, weil ich auf jeden Fall in ein englischsprachiges Land wollte und von der Gastfreundschaft der Iren gehört habe, was ich im Nachhinein auch nur bestätigen kann. Trotz meiner Vorfreude auf das Auslandsjahr hatte ich natürlich auch ein paar Ängste und Befürchtungen. Da ich offen queer bin und mir nicht sicher war, wie die Menschen in meinem Auslandsjahr damit umgehen würden, habe ich mit dem QueerTausch gesprochen. Es tat gut, sich mit ihnen auszutauschen, und ich habe auf ihren Rat hin meine Identität in dem Brief an meine Gastfamilie erwähnt. Im Nachhinein kann ich nur sagen, dass mir in Irland noch nichts Negatives im Bezug dazu passiert ist und dass alle sehr tolerant sind.

Ein paar Tage vor der Abreise war ich sehr aufgeregt und hatte im Flugzeug einen kurzen Moment, wo ich gedacht habe: „Was mache ich hier eigentlich gerade?” Das Gefühl ist aber ganz normal und ging sofort in all der Aufregung verloren. Ich bin mit einer Freundin von mir geflogen, die ich schon vorher auf den Vorbereitungsseminaren in Deutschland kennengelernt habe. Am Flughafen wurden wir mit anderen Austauschschüler*innen von InterStudies abgeholt. Mit einem Bus wurden wir dann zu unserem Welcome Camp in Carlingford gefahren. Carlingford liegt nördlich von Dublin an der Ostküste und ist wunderschön. Hier hatte ich meinen ersten Eindruck von Irland mit den vielen Wiesen, den kleinen hügeligen Straßen und den bunten Häusern. Das Camp hat mir sehr geholfen, denn ich hatte die Möglichkeit, andere Gastschüler*innen und auch meine local support coordinater kennenzulernen. Wir konnten uns über unsere Erwartungen und auch Ängste austauschen, was mir das Gefühl gegeben hat, nicht allein in einem fremden Land zu sein. Außerdem habe ich dort meine Gastschwester zum ersten Mal getroffen. Sie ist in meinem Alter und kommt aus Italien.

Ein paar Tage später habe ich dann meine Gastmutter kennengelernt. Sie ist super herzlich und offen. Zu dritt wohnen wir in einem Ort in County Meath. Das ist mit dem Bus etwa 1,5 Stunden westlich von Dublin. Das Haus steht in einer Straße, in der noch zwei andere Austauschülerinnen wohnen. Ich teile mir mit meiner Gastschwester ein Zimmer, was sehr schön ist, weil man sich nie allein fühlt und immer jemanden zum Reden hat. Mit meiner Gastfamilie habe ich mich von Anfang an sehr gut verstanden und es macht Spaß mit ihnen zu leben. Wir kommen, alle drei aus unterschiedlichen Ländern und haben unterschiedliche Erwartungen und Weisen, Dinge zu machen. Daher ist Kommunikation immer sehr wichtig. Bei einer Freundin von mir lief es mit der Gastfamilie jedoch zum Beispiel nicht so gut. In dem Fall gibt es aber immer die Möglichkeit, ohne große Schwierigkeiten die Gastfamilie zu wechseln.

Meine Schule ist 12 Kilometer von mir entfernt, weshalb ich morgens mit dem Schulbus fahre. Es ist eine Mädchenschule und es gibt, wie in fast allen Schulen in Irland, eine Schuluniform. Ich musste mich am Anfang noch an die Schuluniform gewöhnen, aber jetzt finde ich es eigentlich sehr praktisch, nicht über seine Klamotten nachdenken zu müssen. Ich gehe ins Transition Year, das in Deutschland praktisch die 10. Klasse ist. In diesem Jahr geht es sehr viel um Berufsorientierung. Daher gibt es viele unterschiedliche Fächer wie Holzarbeit, Kochen, Nähen, Journalismus oder auch Autowartung. Es sind viele Ausflüge geplant. Wir waren zum Beispiel auf einem feministischen Festival in Dublin. Außerdem gibt es in unserer Schule im Transition Year ein Musical, an dem wir das erste halbe Jahr arbeiten. Mein Schultag geht immer von 9 bis 15:45 Uhr, außer am Freitag, da habe ich schon um 13 Uhr Schluss. Ich finde das Jahr ideal, weil ich viel ausprobieren kann und fast keinen Schulstress habe. Ich habe schnell Anschluss gefunden, denn ein paar irische Schüler*innen haben mich und meine Gastschwester in ihre Gruppe aufgenommen. Vor allem verbringe ich aber auch Zeit mit anderen Austauschschüler*innen aus unterschiedlichen Ländern. Es macht besonders Spaß, Wörter auf verschiedenen Sprachen wie Spanisch und Italienisch zu lernen. Meine Gastschwester und ich machen alles zusammen und ich verbringe die meiste Zeit mit ihr.

Mit der englischen Sprache komme ich zuhause und in der Schule gut klar. Am Anfang war ich natürlich noch etwas unsicher und musste viel nachdenken, aber man gewöhnt sich superschnell daran und wird immer selbstsicherer. Und wenn man etwas mal nicht versteht, kann man immer nachfragen. Die Leute in Irland sind generell total nett, hilfsbereit und man fühlt sich immer von ihnen herzlich eingeladen. Auf der Straße wird immer viel gelächelt und alle sind freundlich miteinander. Daher sind die einfachsten Dinge wie „Danke“ sagen, die wichtigsten in Irland.

In meiner Freizeit gehe ich meistens mit meinen Freundinnen raus. Wir fahren dann nach der Schule in eine kleine Stadt namens Navan und gehen dort ins Kino oder Bowling spielen. Oft kommen sie auch zu uns nach Hause und wir kochen zusammen, hören Musik oder spielen Spiele.

Der Ort, an dem ich lebe, hat eine relativ gute Busverbindung. Die Busse kommen zwar nicht besonders oft, man kommt aber eigentlich überall hin. Am Wochenende fahren meine Freundinnen und ich daher oft mit dem Bus nach Dublin. Dublin hat viele kleine Läden und Pubs und ist sehr lebhaft. Mit den kleinen Brücken und den bunten Fassaden ist es einfach eine super schöne Stadt. Es gibt viel Straßenmusik und kleine Stände. In Dublin man kann man außerdem viel über irische Kunst, Geschichte und Kultur lernen. Ich habe zum Beispiel schon das Trinity College und die National Gallery of Ireland besucht. Außerdem gibt es viele Museen über den irischen Unabhängigkeitskrieg.

AFS plant jeden Monat einen Ausflug mit uns. Wir waren schon in Galway, Derry und bei den Wasserfällen in Wicklow. Es ist schön, so viel von Irland zu sehen und mal aus seiner eigenen Region raus zu kommen. Jeder Ort in Irland hat nämlich seine eigenen Traditionen und Geschichte wie der Weihnachtsmarkt in Galway oder die Stadtmauer in Derry. Zudem hat man so immer Kontakt zu anderen Austauschschüler*innen und kann seine Freunde wiedersehen.

Am liebsten mag ich aber meinen Alltag. Die einfachsten Dinge wie zur Schule zu gehen, zusammen zu essen oder mit meiner Gastschwester zur Tankstelle in unserem Ort zu gehen, haben mir geholfen, mich in Irland wohlzufühlen. Ich fühle mich mittlerweile in Irland zuhause und sehe meine Gastmutter und Gastschwester als eine zweite Familie. Meine Gastmutter kocht oft für uns und so konnte ich traditionelle irische Küche erleben (mit sehr vielen Kartoffeln). Abends essen wir immer zusammen und meistens unterhalten wir uns danach noch. Ich rede viel mit meiner Gastmutter über die unterschiedlichsten Themen. Manchmal erzählt sie mir Geschichten und manchmal sprechen wir über Politik. Am Anfang sollte man vielleicht mit einigen Themen etwas vorsichtig sein, aber man kann durchaus seine Meinung vertreten, denn das ist ein wichtiger Teil des Austausches. Das wichtigste ist offen und verständnisvoll zu sein. Meine Gastmutter ist sehr offen und wir haben meistens die gleichen Ansichten.

Ich bin sehr froh über meine Entscheidung, ein Auslandsjahr zu machen. Auch wenn ich zwischendurch mal Zweifel und Heimweh hatte, habe ich es nie bereut, denn die Erfahrungen, die ich hier gesammelt habe, würde ich niemals eintauschen. Es ist normal, manchmal Heimweh zu haben, aber man muss sich daran erinnern, was man schon alles Tolles erlebt hat und was noch vor einem liegt. Und am wichtigsten: Es geht immer wieder weg. Mir hat es sehr geholfen, über Weihnachten für zwei Wochen zurück nach Deutschland zu gehen. Man konnte einfach mal wieder etwas aufladen und hatte die Sicherheit, dass deine Familie und deine Freunde zuhause noch da sind und auf dich warten. Nach den zwei Wochen habe ich mich dann auch gefreut, wieder nach Irland zu gehen. Die Hälfte von meinem Auslandsjahr ist jetzt vorbei, ich habe viele tolle Menschen kennengelernt, Erfahrungen gesammelt und meine Sprachkenntnisse verbessert.

Deshalb möchte ich mich an dieser Stelle herzlich bei den Leuten vom Regenbogenstipendium bedanken, die geholfen haben, mir mein Auslandsjahr zu ermöglichen. Es ist so wichtig, dass Menschen aus der LGBTQIA+-Community repräsentiert werden und ihnen die Möglichkeit gegeben wird, ein sicheres Auslandsjahr zu machen. QueerTausch hat mir viele Tipps gegeben und mir von Anfang an versichert, dass ich mich immer bei ihnen melden kann. Das hat mich sehr geholfen, da es mir Sicherheit auf meiner Reise gegeben hat.

Zusammenfassend kann ich ein Auslandsjahr in Irland und mit dem Regenbogenstipendium nur empfehlen.

Viele Grüße aus Irland!
Ronja


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